Karwoche – Karfreitag

10.04. Karfreitag – Mit Verletzlichkeit leben (Pfarrerin Pleger, Friedenskirche)

Losung
Wohl dem, der den Herrn fürchtet, der große Freude hat an seinen Geboten.
(P.s 112,1)

Lehrtext
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie irrende Schafe, aber nun seid ihr umgekehrt zu dem Hirten und Bischof unserer Seelen.
(1. Petrus 2, 24f)

Ich erinnere mich: als 13 jähriges Mädchen erlebte ich wie mein Vater – der starke, Sicherheit gebende, mich in seinen Armen auffangende Vater – wie er an einer Innenohrentzündung erkrankt war. Er konnte nicht aufrecht stehen, nicht gehen, jede Bewegung des Kopfes bereitete ihm Übelkeit, er musste mit der Tragbahre in den Krankenwagen und in die Uni-Klinik gebracht werden. Wir 5 Kinder blieben ratlos und aufgelöst zurück, unsere Mutter fuhr ihm hinterher. Er musste schnell operiert werden… einige Stunden warteten wir in Sorge. Dann kam die erlösende Nachricht: Alles gut überstanden! Seit diesem Tag wusste ich, dass Eltern nicht ewig bleiben. Und irgendwie auch: Wir alle sind verletzlich! Jeder gewiss an anderen Stellen, der eine mehr, die andere weniger, aber alle irgendwo.

Sting singt in seinem Song: „Fragile“ genau davon! „If blood will flow when flesh and steel are one…“ („Wenn Blut fließt weil Fleisch und Stahl zusammentreffen…“) hören Sie mal rein, das ist schon beeindruckend! Und immer wieder zum Ende das erstaunt-fassungslose „… how fragile we are…“ wie verletzlich wir doch sind!

Und an Karfreitag ist genau das im Mittelpunkt: Unsere Verletzlichkeit und damit unsere Geschöpflichkeit. Wir sind geschaffene Wesen, haben uns nicht selbst gemacht – und wir sind verletzlich und also endlich. Die derzeitige Corona-Krise machte das einmal mehr deutlich. Viren waren früher etwas, was den PC und das Smartphone zum Abstürzen brachte, doch inzwischen hat es einen neuen Klang und neue Gefährdungsebene erreicht, denn nun betreffen Viren uns … in aller Welt.

An Karfreitag schauen wir darauf, dass sich Jesus von Nazareth ans Kreuz schlagen ließ, um seine Freunde und alle, die zu ihm hielten, aus der Schusslinie zu halten. Wenn Gott an Weihnachten Mensch wurde, dann wurde er in Jesus am Kreuz ein verletzlicher und verletzter Gott. Wo gibt es das im Rahmen der Geschichte der Religionen, dass ein Gott für andere stirbt? Dieser Karfreitag durchkreuzt unser Gottesbild. Es stört und kratzt an unserer Festlegung Gottes auf die schönen Dinge. Die tiefe Frage nach dem Warum? von Ungerechtigkeit und frühem, sinnlosen Sterben, von Krankheit und Corona lässt sich nicht einfach beantworten. Aber ganz sicher fühle ich mich bei einem Gott wohler, der selbst leidet und in tiefster oder höchster Schutzlosigkeit am Kreuz stirbt, damit uns Menschen unfassbar nahe kommt und dann doch dem Tod nicht das Feld überlässt. Menschlicher geht kaum…
Doch das ist erst Ostern im Blick!
Amen.

Gebet (Sylvia Bukowski)
Du Sohn Gottes, unser Erlöser, du gibst dich hin an eine Welt, die dich braucht, aber nicht will.
Du hältst alles aus, was deine Jünger dir antun mit ihrer Feigheit, mit ihrem Verrat, mit ihrer Treulosigkeit.
Und selbst im Tod hörst du nicht auf, die Welt zu lieben und deinen Nachfolgern die Treue zu halten.
Wir können nicht fassen, was das Kreuz über die Größe deiner Liebe sagt. Wir halten schlecht aus, was es von unserer Sünde spiegelt.
Jesus, vergib uns und gib uns Anteil an dem Leben, das du erkauft hast mit deinem Tod.
Amen.

Vater Unser
Vater Unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Lied EG 98
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt
1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt –
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.
Text: Jürgen Henkys (1976) 1978 nach dem englischen »Now the green blade rises« von John Macleod Campbell Crum 1928 Melodie: »Noël nouvelet« Frankreich 15. Jh.

SEGEN
Gott segne und behüte dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und wende sich dir freundlich zu. Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir seinen Frieden. Es segne und behüte dich der allmächtige Gott – der Vater, der Sohn und die Heilige Schöpferkraft.
Amen.

Sylvia Pleger, Pfarrerin der Friedenskirche